Erstimpressionen aus Bamberg

Mein Bruder Stefan und ich nahmen Anfang September am Bamberg-Open teil.

  • Insgesamt 272 Teilnehmer am A- und B-Open (bis 1900 TWZ)
  • Gespielt wurde innenstadtnah in den „Harmoniesälen“ am Schillerplatz 5:
    → bitte Spielsaal_aussen.jpg einfügen
  • In den beiden Spielsälen saßen die Schachspielenden recht eng beieinander:
    → bitte Spielsaal_innen.jpg einfügen
  • Nach der Auftaktpartie am Anreisetag folgte eine Doppelrunde, bevor am Freitag ein Blitzturnier für Interessierte eingestreut wurde und danach um 17:30 Uhr die 4. Runde startet.
    Am Samstag folgte wieder eine Doppelrunde und nach der letzten Runde am Sonntag fand die übliche Siegerehrung statt.
  • Ein Softwareentwickler hat ein Verfahren entworfen, mit dem abfotografierte Partieformulare ausgelesen und mittels Künstlicher Intelligenz (KI) in eine pgn-Datei umgewandelt werden. Dadurch konnten die meisten Partien der beiden Turniere relativ zeitnah auf der Homepage des Veranstalters zur Verfügung gestellt werden.
    Näheres zur Softwareentwicklung: https://bamberg-open.de/partien-eingeben-leicht-gemacht/
    Das Programm heißt „MoveRead“
  • Gut gepflegte und ausführliche Homepage
  • Die berühmtesten Vertreter vom ausrichtenden Klub SC 1868 Bamberg sind Dr. Helmut Pfleger, der mit Vlastimil Hort im WDR-Fernsehen u.a. „Schach der Großmeister“ moderierte und Lothar Schmid, der als Schiedsrichter im legendären Weltmeisterschaftskampf 1972 zwischen Fischer und Spasski als Schiedsrichter fungierte.

Mein Turnierverlauf

Auftaktsieg
Zu Beginn wurden mir gegen Jonas Schwarzer von der TSG Apolda die weißen Steine zugelost und ich konnte ein ideales Zentrum aufbauen, meinen Gegner lange an der Rochade hindern und ihm einen Doppelbauern zufügen. Nach der Eröffnung spielte ich zu zaghaft und er konnte sich etwas konsolidieren. Die Initiative blieb bei mir und Jonas versuchte, die Damen zu tauschen, um den Druck herauszunehmen. Fast wäre der Angriff auch langsam versiegt, aber dann ließ er bei seinen Bemühungen einen Turm stehen. Damit war das Matt unabwendbar.

Noch nicht ganz wach
Der Beginn der nächsten Runde am Folgetag war bereits auf 9:30 Uhr terminiert und anscheinend war ich noch nicht ganz wach. Ich hatte schwarz gegen Leonard Batten-Wölfl und es kam der Grand-Prix-Angriff aufs Brett. Im Vorfeld hatte ich mit eine Variante angeguckt, bei der ich mir gemerkt hatte, dass es nach Läufertausch auf d7 besser sei, mit dem Springer zurückzunehmen als mit der Dame. Aber in diesem Fall war das gar nicht gut. Ich hatte das Gehirn noch nicht eingeschaltet und verlor ohne wirkliche Kompensation einen Zentrumsbauern. Trotzdem konnte ich mich lange halten und vor seinem Freibauern einen Blockadespringer installieren. Aber mein Gegner fand einen Weg, seinen Vorteil umzusetzen. Daraufhin machte ich einen letzten Versuch und zettelte Komplikationen an, was letztendlich tatsächlich Erfolg hatte: Mit einer Springergabel konnte ich seinen Läufer gewinnen. Dafür hatte er inzwischen allerdings zwei Freibauern und der lange blockierte Zentrumsbauer strebte dem Umwandlungsfeld entgegen. Mein Springer hatte nun die Aufgabe, diesen Freibauern aufzuhalten, während mein König den anderen, am Rand befindlichen einkassiert. Dabei übersah ich, dass ich selbst einen Bauerndurchbruch hätte machen können, was die Partie sogar noch gewonnen hätte! So konnte des Gegners König aber meine Bauern einheimsen und die beiden neuen Freibauern konnte ich mit Springer und Opposition aufhalten. Ergebnis also: remis. Gesamtstand: 1,5 Punkte

„Einfach spielen“ kann förderlich sein
In der dritten Runde spielte ich mit Weiß in einer (für mich) seltsamen Königsindisch-Variante und die Stockfish-Engine sieht mich nach 18 Züge bei etwa +4 ! Mein Springer kann nun nach e6 gehen und steht dort bombig. Aber ich will vorher noch seinen Turm wieder zurückdrängen und übersehe, dass er seinen Turm für zwei meiner Leichtfiguren geben kann. Auch den Konter mit einem Zwischenschach bekam ich in der Schockstarre nicht mit. Damit drehte sich das Spiel komplett und ich verlor.

Mein Gegner hatte übrigens eine Turnierwertungszahl von 1848. In diesem Zusammenhang und wie die Partie gelaufen ist, muss ich an das Spiel VfL Bochum gegen Bayern in den Siebzigern denken, als Bochum zur Pause 4:0 führte und noch 5:6 verlor. Ich bin VfL Bochum!

Vorteil nicht verwertet

Am Freitag startete die Runde nicht wie gewohnt um 16 Uhr, sondern wegen des eingestreuten Blitzturniers um 17:30 Uhr. Mit Schwarz ergab sich ein Sizilianer, bei dem Weiß Lc4 spielt (Lichess sagt „Old Sicilian“). Weiß gleicht relativ schnell aus. Mein Gegner verzichtete auf die schnelle Rochade und so kam ich bereits um den 10. Zug herum in leichten Vorteil. Ich konnte die offene e-Linie kontrollieren und der gegnerische weiße Läufer war abgemeldet. Im 30. Zug hätte ich einen Bauern gewinnen können und damit auf Gewinn gestanden, aber damit hätte auch mein schwacher Punkt f7 unter Beschuss geraten können und das war mir zu heikel. Letztendlich fand ich nicht den richtigen Weg, den Vorteil in einen Sieg umzumünzen und wir trennten uns mit einem Remis.

  1. Runde
    Kampfloser Sieg. Gegner kam nicht. Zwischenergebnis: 3 Punkte, 1,5 bis 2 Punkte verschenkt.

Durch Unkonzentrierheit Springer aufs falsche Feld gesetzt
In der vorletzten Runde musste ich mich gegen den jungen Patrick Voss einem aggressiven Sämisch-Aufbau im Königsinder erwehren. Dabei vernachlässigt Weiß ja ein wenig die Entwicklung und lässt die Bauern am Königsflügel rollen. Seitdem ich einmal von dieser Lawine überrollt wurde, weiß ich in etwa, wie ich dagegen spielen muss. In diesem Fall verließen aber auch meine Bauern am Königsflügel in Eintracht das Feld. Im Prinzip schütze nur noch der fianchettierte Läufer meinen König. Aber der Angriff war abgewehrt und ich kam leicht in Vorteil. Im 21. Zug konnte ich mit dem Läufer Dame und König aufspießen, was zwar mit einem Zwischenschach und Zwischenziehen des Turms in einen Qualitätsgewinn umgewandelt worden wäre, aber ich hätte auf Gewinn gestanden. Aber statt diese Aktion mit Schlagen des Läufers einzuleiten, setzte ich meinen Springer gemäß einer anderen Variante, in der beide gegnerischen Türme gegabelt werden, auf ein anderes Feld. Direkt nach Loslassen der Figur bemerkte ich meinen Fauxpas und musste zusehen, wie mein Gegner die Alternativvariante souverän als schlecht entlarvte. Dadurch ging mir nämlich eine Figur verloren und ich konnte aufgeben.

Patrick war überglücklich über seinen Punkt. Am nächsten Tag schloss er das Turnier mit 5 aus 7 und mit einer Eloperformance von 1894 ab. Ich traf ihn noch kurz nach dem Turnier als er stolz wie Oskar von seinen Eltern abgeholt wurde.

Experimente ohne Erfolg
Für mich war das Turnier seit der Niederlage in der 6. Runde gelaufen. Darum entschied ich mich für ein Experiment. Es kam schon wieder Königsindisch, diesmal wieder mit Weiß. Ich spielte zwar kein Sämisch-System wie mein Gegner eine Runde zuvor, wollte aber trotzdem den Spieß umdrehen und am Königsflügel angreifen. Läufer auf d3 und h3 in Kombination mit g4 sollten den gegnerischen Vorstoß mit f5 blocken. Die Rochade verzögerte ich so lange wie möglich und ließ mir offen zu welcher Seite, womit ich mir allerdings auch einige Probleme einhandelte. Mein Gegner schloss den Königsflügel ab und konnte am Damenflügel einen Bauern gewinnen, der letztendlich die Partie entschied. In dieser strategischen Auseinandersetzung hatte er den besseren Überblick und mit souveräner Technik schaukelte er die Partie nach Hause.

Endstand: Nur 3 Punkte. Damit habe ich mich Minimalziel von 50 Prozent verfehlt. Fünf Punkte oder mehr traue ich mit bei solch einem Turnier zu.

Etwas mehr Spielpraxis, von Beginn an konzentriert sein, regelmäßiges Taktiktraining und mehr Souveränität im Abchecken der Möglichkeiten könnten zielführend sein.

Irgendwann höre ich auf mit Punkte verschenken und meine Wertungszahlen schnellen nach oben. Uuups, ich muss kurz eingeschlafen sein und etwas geträumt haben!

Mit schachlichen Grüßen
Rainer B.

P.S.: Bamberg ist sehr sehenswert und wird nicht umsonst als die Bierhauptstadt Deutschlands gehandelt. Auch Rauchbierhasser finden dort sehr leckere Sorten. In Bamberg und Umgebung gibt es die weltweit größte Brauereidichte.

Fazit: Kannmanmalhinfahrn

Als Abschluss nach ein paar Impressionen aus Bamberg:

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